Rechtsgutachten der ecodemy
1 Gegenstand der Ernährungsberatung
(Vegane/r) Ernährungsberater/in ist eine gesetzlich nicht geschützte Berufsbezeichnung. Nachfolgend werden hierunter Berater verstanden, welche die Berufsbezeichnung nach Absolvierung eines Fernstudiums/-lehrgangs und Erlangung eines Zertifikats führen, ohne über eine weitere staatliche Ausbildung als Arzt, Heilpraktiker, Diätassistent oder Oecotrophologe zu verfügen.
Ernährungsberatung im nachfolgenden Sinne wird verstanden als allgemeine Vermittlung von Informationen über ernährungsphysiologische, biochemische und allergologische Zusammenhänge der Ernährung und beinhaltet Beratung zur Lebensmittelstruktur, deren Herstellungsprozessen und gegebenenfalls auch zu Themen wie Essverhalten, Lebensführung, Körperbewusstsein und Sport.
Da es sich bei der Bezeichnung „(Vegane/r) Ernährungsberater/in“ um keine geschützte Berufsbezeichnung handelt, kann diese ohne besondere Anforderungen nach Außen verwendet werden, z. B. auf Briefköpfen, Schildern und im Rahmen der Werbung. Die Verwendung eines von der ecodemy GmbH vergebenen Zertifikats richtet sich nach den hierzu geltenden Vorgaben.
Die Durchführung der Ernährungsberatung setzt ebenfalls keine spezielle Ausbildung oder sonstige Mindestqualifikationen voraus. Die Art und Weise der Ausübung der Ernährungsberatung unterfällt bis zu den Grenzen der nachfolgend dargestellten Ernährungstherapie keinen besonderen Berufsordnungen oder –Gesetzen. Es gilt das allgemeine Recht und hier insbesondere das Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB) sowie das Wettbewerbsrecht (UWG). Für den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln gelten gesonderte gesetzliche Anforderungen, auf welche an dieser Stelle nicht eingegangen wird.
2 Abgrenzung zur Ernährungstherapie
Von der reinen Ernährungsberatung zu unterscheiden ist die sog. Ernährungstherapie, welche speziellen
gesetzlichen Anforderungen unterliegt. Ernährungstherapie im nachfolgenden Sinne wird in Anlehnung an § 42 HeilM-RL des G-BA verstanden als Ernährungsberatung bei krankheitsbedingten Ernährungsproblemen und umfasst insbesondere die Beratung zur Auswahl und Zubereitung natürlicher Nahrungsmittel und zu krankheitsspezifischen Diäten sowie die Erstellung und Ergänzung eines Ernährungsplans. Die Ernährungstherapie dient daher der Heilung oder Linderung von Krankheiten und deren Beschwerden. Damit unterfällt die Ernährungstherapie der Ausübung der Heilkunde i. S. d. § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz (HeilprG). Wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein, bedarf gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG der Erlaubnis. Die Erteilung der Erlaubnis erfolgt durch das jeweilige Gesundheitsamt und setzt gemäß § 2 Abs. 1 lit. i) HeilprGDV 1 unter anderem den Nachweis ausreichender Kenntnisse und Fähigkeiten voraus. Ernährungsberater gehören auch nicht zu den sog. Gesundheitsfachberufen bzw. Heilhilfsberufen, wie z. B. Diätassistenten. Hierbei handelt es sich um staatliche Ausbildungsberufe, welche auf Verordnung eines Arztes im Umfeld dessen Heilberufs tätig werden.
Ernährungsberater besitzen demnach keine Berechtigung zur Durchführung der Ernährungstherapie.
Eine Werbung mit nach § 1 HeilprG gesetzlich nicht erlaubten Tätigkeiten stellt einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß i. S. d. § 3a UWG dar. Hieraus ergeben sich gemäß §§ 8 ff. UWG Unterlassungs-, Schadenersatz- und Gewinnabführungsansprüche z. B. von Mitbewerbern. Die Ausübung der Heilkunde ohne Erlaubnis ist gemäß § 5 HeilprG strafbar.
3 Ernährungsberatung zu Krankheiten
Im Ergebnis richtet sich die Abgrenzung zwischen der erlaubnisfreien Ernährungsberatung und der erlaubnispflichtigen Ernährungstherapie daher nach dem Krankheitsbezug der Beratung. Ernährungsberatern sind dabei allgemeine Empfehlungen zu Krankheiten nicht grundsätzlich verboten, solange es sich nicht um eine individuelle Beratung eines Erkrankten zu krankheitsspezifischen Beschwerden und damit um Ausübung der Heilkunde handelt.
3.1 Krankheit
Die erlaubnispflichtige Ernährungstherapie setzt demnach zunächst eine Erkrankung voraus.
Bei Allergien handelt es sich unproblematisch um Krankheiten. Auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit wird von der Rechtsprechung regelmäßig als Krankheit angesehen.
Bei Dickleibigkeit liegt nach der Rechtsprechung nicht in jedem Fall eine Krankheit i. S. d. HeilprG vor. Als
geringfügig und daher dem Krankheitsbegriff nicht zuzurechnen sind jedenfalls solche Fälle von Dickleibigkeit (alimentärer Fettsucht) anzusehen, die schon nach Auffassung der von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise wegen geringer Normabweichung nicht der Behandlung bedürfen. Ob das der Fall ist, kann nur aufgrund der jeweiligen Umstände beurteilt werden. Nicht unerhebliches Übergewicht ist hingegen bei einer Störung der normalen Beschaffenheit und Tätigkeit anzusehen, weil der Übergewichtige in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist und weil Übergewicht in manchen Berufen zu Arbeitsunfähigkeit führt und das psychische Befinden darunter leidet. Als Richtschnur bietet sich die Einordnung der WHO an, wonach die Adipositas ab Grad I (BMI > 30 kg/m²) als Krankheit anzusehen ist.
3.2 Ausübung der Heilkunde
Ernährungsberatern ist das Halten von wissenschaftlichen Vorträgen und schriftstellerischen Veröffentlichungen auch zu krankheitsbezogenen Ernährungsproblemen gestattet.
Wer ganz allgemein und theoretisch, ohne Beziehung zu einem gegebenen Fall, eine Therapie empfiehlt,
die er bei einem nur abstrakt umschriebenen Krankheitsbild für ratsam hält, übt damit noch keine Heilkunde aus (OLG Stuttgart, Urteil v. 28.08.1964, Az. 2 Ss 465/64). Ausübung der Heilkunde und damit eine erlaubnispflichtige Ernährungstherapie liegt demgegenüber vor, wenn die Beratung einen individuellen Krankheitsbezug aufweist, also der Heilung oder Linderung krankheitsbezogener Beschwerden in einem konkreten Krankheitsfall dient und der Beratende dabei auch Anweisungen und Ratschläge erteilt, die der Betroffene befolgen soll, oder zumindest bei dem
Betroffenen der Eindruck erweckt wird, dass die Beratung darauf abzielt, ihm Heilung oder Linderung zu
verschaffen.
Relevant ist daher der Gegenstand einer Werbung oder Beratung.
a.) Werbung
Zulässig ist demnach Werbung ohne Krankheitsbezug, also z. B. „glutenfreie vegane Ernährung“
oder „Abnehmen durch vegane Ernährung“. Diese Bezeichnungen und Beratungsinhalte haben
keinen direkten Krankheitsbezug. Demgegenüber ist eine krankheitsbezogene Werbung für eine Ernährungsberatung potenziell wettbewerbswidrig, z. B. „Ernährung bei Zöliakie“ oder „Abnehmen bei Adipositas“. Zu beachten ist, dass auch die Werbung für Ernährungsberatung allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grenzen unterliegt und insbesondere nicht unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein darf.
So kann z. B. eine Werbeaussage in der Form: „Ich helfe Ihnen Ihr Wunschgewicht zu erhalten“,
irreführend sein, da ein Erfolg als mit Sicherheit zu erwarten suggeriert wird.
Je nach Ausgestaltung der Werbung wurde durch Gerichte zudem bereits moniert, wenn die
Werbung nicht ausreichend zwischen „Wellness“-Behandlungen und krankheitsbezogenen Erkrankungen unterscheidet. Es kann daher sinnvoll sein und wird teilweise auch gefordert, im Rahmen
der Werbung ausdrücklich krankheitsbezogene Behandlungen (z. B. zu Adipositas) vom Anwendungsbereich bzw. Beratungsinhalt auszuklammern.
Als allgemeines Beispiel für einen solchen Disclaimer kann folgender Text dienen:
„Mein Angebot dient nicht der Heilung oder Linderung von Krankheiten oder deren Beschwerden
und beinhaltet keine individuelle Beratung im Krankheitsfall. Bei krankheitsbezogenen
Beschwerden wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt, Diätassistenten oder Heilpraktiker.“
Die rechtskonforme Ausgestaltung eines solchen Disclaimers hängt immer vom jeweiligen Gesamtkontext ab und bedarf daher einer einzelfallbezogenen Bewertung und Gestaltung.
b) Beratung
Wie bereits dargelegt, sind allgemeine Empfehlungen in schriftstellerischen Veröffentlichungen
oder öffentlichen Vorträgen sowie gutachterliche Ratschläge keine Ausübung der Heilkunde,
solange sie keine Beratung bezogen auf einen konkreten Krankheitsfall beinhalten.
Soweit sich hingegen ein Erkrankter mit krankheitsbezogenen Ernährungsproblemen vorstellt, ist
darauf zu achten, dass im Rahmen der Beratung keine Ausübung der Heilkunde stattfindet. In
diesem Bereich ist die Abgrenzung schwierig und nicht immer eindeutig.
Eindeutige Ausübung der Heilkunde ist die Diagnosestellung und Therapie einer Erkrankung.
Wenn der Betroffene daher unspezifisch über Beschwerden klagt und noch keine ärztliche Diagnose gestellt wurde, ist dieser an den Arzt zu verweisen. Gleiches gilt, wenn der Betroffene zwar
bereits Kenntnis von seiner Erkrankung hat, sich von der Ernährungsberatung aber eine Heilung
oder Linderung dieser Erkrankung verspricht. Auch in diesem Fall muss der Ernährungsberater
den Kunden auf die Grenzen seiner Beratung hinweisen und an einen Arzt verweisen.
Von Bedeutung ist insoweit, dass darüber hinaus auch eine ernährungsspezifische Beratung,
welche „nur“ die Beschwerden einer Erkrankung lindern soll, nach der Rechtsprechung unter die
Ausübung der Heilkunde fällt.
Möglich sind Beratungen, welche keine krankheitsspezifische Diät betreffen, also z. B. allgemeine
Beratungen zur veganen Ernährung.
Ein Grenzfall liegt vor, soweit sich ein seiner Krankheit bereits bewusster Kunde, welcher auch
bereits durch seinen Arzt, Diätassistenten o. ä. auf eine krankheitsspezifische Ernährung eingestellt wurde, an den Ernährungsberater wendet, um seinen Diätplan auf eine vegane Ernährung
umzustellen. Die Änderung/Anpassung des krankheitsspezifischen Diätplans dürfte als Heilbehandlung einzustufen sein und ist daher unzulässig. Zulässig kann aber noch eine allgemeine
gutachterliche Beratung zur veganen Ernährung sein, ohne hierbei konkrete krankheitsspezifische
Ratschläge zu erteilen. Der Kunde ist daher in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass es sich nur um
allgemeine Hinweise zur veganen Ernährung handelt, welche nicht auf seine individuelle Krankheit
abgestimmt sind. Zur konkreten Umstellung des Diätplans ist der Kunde an seinen Arzt bzw. Diätassistenten zu verweisen. Die Grenze zwischen erlaubnisfreier Ernährungsberatung und unzulässiger Ernährungstherapie ist in diesem Bereich fließend. Zur Beweissicherung ist eine schriftliche
Aufklärung über die notwendige Einbindung des Arztes bzw. Diätassistenten anzuraten.
Die Grenze zur krankheitsspezifischen, erlaubnispflichtigen Ernährungstherapie ist immer dann
überschritten, wenn bei dem Betroffenen durch Werbung oder konkrete Ratschläge der Eindruck
erweckt wird, dass die Beratung der Linderung seiner Beschwerden dient oder dass der Berater
über besondere medizinische Kenntnisse verfügt. Soweit sogar mit einer krankheitsbezogenen
Ernährungsberatung geworben wird und sich daher Betroffene gerade deswegen in der Hoffnung
auf Linderung ihrer Beschwerden bei dem Berater vorstellen, dürfte die Grenze regelmäßig überschritten sein.
Rechtsgutachten verfasst von Christian Heß, Köln den 24.01.2020 an die ecodemy